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Aus meiner Grafiksammlung - der Charme der vergangenen Jahrhunderte!

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Beitrag  prosopis Sa 05 Okt 2013, 18:22

Und hier mal ein antiker Stich von einem Melocactus, welcher mir 2 Jahre lang Kopfzerbrechen bereitete.

Ich habe das Blatt von einem Privatmann erstanden, der mir nicht sagen konnte, wo es genau herstammte. Es befand sich seinen Angaben nach in einer Sammlung von mehreren Stichen, welche er aus einem Nachlass bekam. Da Kakteen nicht sein Sammelgebiet sind hat er es mir zu einem anständigen Preis überlassen.
Ein absolut sauberes Blatt, es fühlt sich fast an, wie ein dichtes Leinentuch. Erst dachte ich, dass es vielleicht nur eine wertlose Reproduktion sei, weil es so einen sauberen und neuen Eindruck auf mich machte. Dann erkannte ich auf der Rückseite den Abklatsch einer weiteren Abbildung. Es war also wohl einst in einem Buch eingebunden, zusammen mit anderen Darstellungen; keine Zwischenlagen aus Seidenpapier, so dass die Druckfarbe des darunter liegenden nächsten Blattes sich auf dessen Rückseite als schwacher Schatten abzeichnet. Also mit ziemlicher Sicherheit ein Original.

Herkunft? Zunächst Fehlanzeie. Nächtelange Recherchen im Internet führten zu keinen Erkenntnissen, was den Ursprung des Stiches anging. Erst nach zwei Jahren kam ich dahinter.

Aber erst mal das Bild. Es ist betitelt mit "CACTUS Lamarcki", Größe  24,5cm:

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Des Rätsels Lösung: Der Name "Teophila Billotti" unten links verweist auf die Künstlerin. Sie war die Tochter des Italieners Luigi Aloysius Calla (1766-1848). Und dieser gab zwischen 1825 und 1832 eine illustrierte Schrift heraus mit dem wunderschönen Titel: "Illustrationes et icones rariorum stirpium, que in ejus horto Ripulis florebant, anno 1824, addita in: Memorie della reale Academia delle Science di Torino."

Also praktisch gesehen eine illustrierte Ergänzung zu den "Memorie" der Akademie der Wissenschaften in Turin des Jahres 1824, in welchem Abbildungen nachgereicht wurden, die blühenden Arten daraus zeigend. Aufgelegt in Pomona, Italien

Dieser "CACTUS Lamarcki" würde wohl heute enweder zu Melocactus communis oder wahrscheinlicher zu Melocactus intortus passen. In "The Plant List" heißt es, dass Lamarcki ein ungeklärter Name sei.
In "Cactaceae: Descriptions and Illustrations of Plants of the Cactus Family" findet man die Bezeichnung als Synonym zu Cactus melocactus Linnaeus. Belassen wir es dabei...

Billotti hat die Zeichnung gefertigt, der Kupferstecher ist unbekannt. Interessant ist die angewandte Technik des Kupferstechers. Vergrößert man das Bild, so sieht man nicht wie üblich feine, mit dem Stichel in die Platte gegrabene Linien, sondern ein eigenartiges Punktemuster; Linien sind aus vielen Einzelpunkten zusammengesetzt. Eine Ätztechnik wie bei einer Radierung? Abschließend wohl noch mit dem Pinsel nachbearbeitet. Siehe unten:

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In all den Jahren meiner Altpapier-Sammelleidenschaft ist mir bisher kein weiteres Blatt aus dieser Quelle untergekommen. Ist wohl eine wirkliche Rarität.

Einfacher ist es da schon bei der nächsten Darstellung.
Es zeigt die "melonenförmige Fackeldistel, Cactus Melocactus)" aus Friedrich Justin Bertuch: "Bilderbuch für Kinder", Weimar, aus dem Jahr 1800. Ein Kupferstich, handkoloriert. Im Vergleich zur obigen Darstellung eine eher grobschlächtige Arbeit:

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Diese Abbildung ist nicht auf dem Mist von Bertuch gewachsen, vielmehr hat er das alte geniale Original von Pierre-Joseph Redouté aus dessen "Plantarum succulentarum Historica" abkupfern lassen, wie er auch viele andere Darstellungen aus diesem Werk kopiert und in sein "Bilderbuch" übernommen hatte. Redouté, ein begnadeter Künstler auch als "Raphael unter den Pflanzenmalern" bekannt. Die Farbstiche von Redouté erzielen schon mal vierstellige Preise. Bei Redouté heißt dieser Melo "Melocactus communis Lk. et Otto", Herkunft Westindische Inseln.

Unten zwei weitere Melocactus-Darstellungen.
Rechts: Aus F. G. Levrault: "Dictionnaire des Sciences Naturelles", Paris, herausgegeben zwischen 1816 u. 1862; Links: Aus der von Batelli bearbeiteten italienischen Ausgabe dieses seltenen Werkes: "Dizionario di Scienze Naturalis", 1831, beide etwa DIN A5-Größe, beides Kupferstiche:

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Und jetzt zum Abschluß noch eine wunderschöne Lithographie. Sie ist untertitelt mit "Melocactus Lemarii, Miq.", eine Ausklapptafel der Größe 26,5 x 35.5cm. Sie stammt aus dem Werk von Jussieu, Lemaire u.a.: "Herbier General De L'Amateur...", gedruckt bei N. Rémond in Paris, 1839

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Aus diesem Werk stammt übrigens auch mein Avatar.

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Beitrag  Echinopsis Sa 05 Okt 2013, 18:50

2 Jahre Recherche? Hui!
Danke für Deine neuen Beiträge, ich lese hier immer mit Spannung mit!

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Daniel

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Beitrag  william-sii Sa 05 Okt 2013, 20:46

Einfach super dieser Thread. Und deine Kompetenz hervorragend, Wolfgang.
Bin schon gespannt wie's weitergeht. *Süchtig* 
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Beitrag  prosopis Sa 05 Okt 2013, 21:24

Vielen Dank, Ernst!
Ja, Daniel, manchmal ist das echt eine Fieselarbeit, sich durch irgendwelche Bibliotheken und Archive zu arbeiten, um an Infos zu kommen. Häufig ist dann der Zugang verwehrt, weil nur "Eingeweihte" reingucken dürfen. Gott sei Dank werden mehr und mehr alte Bücher digitalisiert und öfter auch dem Normalbetrachter zugänglich gemacht.

Hier mal ein Beispiel weiterer Quellensuche:

Da habe ich mal einen alten Stich bekommen, bei dem auch der Verkäufer auf dem Schlauch stand, was die Herkunft angeht. Ich habe das folgende Teil von einem der renommiertesten deutschen Antiquariate erhalten, welches auch international viel beachtete Auktionen in seinen Häusern durchführt.

Als Beschreibung hieß es da nur: "Alter Stich, eine Pflanze zeigend, um 1800" Toll! Der Preis war allerdings so erschreckend niedrig, dass ich nicht an mir halten konnte.

Ein großes Blatt, schon fast ein Plakat, eine Ausklapptafel der Größe 36 x 48,5cm. Relativ dünnes, aber gutes, festes Papier.

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Was ist das für eine Pflanze? Wo kann das Blatt herstammen? Deutsch, Englisch, Italienisch oder Französisch? Wie alt genau? Da im unteren Bildteil Palmen zu sehen sind und ich annahm, dass dies vielleicht ein Hinweis auf ein tropisches Ursprungsland der Pflanze sein könnte, tippte ich halt mal auf Agave oder Aloe. Aber weit gefehlt!
Gott sei Dank kam mir der Zufall zu Hilfe. nach etwa 3-monatiger vergeblicher Suche war ich mal wieder im Web unterwegs, um Informationen zu alten Abbildungen der Königin der Nacht einzuholen. Und siehe da: In einem berühmten deutschen Werk, in welchem sich eine bekannte Darstellung eines Selenicereus findet, ist auch obiges Bild enthalten.

Das Werk stammt von Johann Christoph Volckamer (1644-1720) (auch Volkamer geschrieben)und heißt: "Continuation der Nürnbergischen Hesperidum oder fernero gründliche Beschreibung der edlen Citronat-, Citronen- und Pomeratzenfrüchte mit einem ausführlichen Bericht, wie solche am besten zu warten und zu erhalten seyn; woher diejenigen Sorten, so theils in Nürnberg gewachsen, theils von verschiedenen fremden Orten dahingelangt  ..." und ist aus dem Jahr 1714.  Es ist dies eine Art Ergänzung seines 1708 veröffentlichten Werkes (Nürnbergische Hesperides...) über Citrusfrüchte, die "Goldenen Äpfel der Hesperiden" aus der griechischen Mythologie. Am Ende findet sich auch eine Abhandlung "über die Americanische Ananas". Tja, da hat sich das Antiquariat bei seiner  geschätzten Datierung um satte 86 Jahre verhauen.
Volckamer war übrigens auch ein Förderer von Maria Sybilla Merian.

Gefunden hab ich die Info beim Bayerischen Staatsarchiv in einer digitalisierten Veröffentlichung. Die Pflanze soll eine Ananas sein. (Die wilde Ananas) Das gleiche Bild wird da gezeigt und im Text heißt es:
"Eine Art einer Ananas, von der wilden Sort / so ohnlängst aus Holland überschickt worden / mit besonderen / von denen anderen Ananasen ganz unterschiedenen und ungewöhnlichen Blättern"

BINGO!

Dann war es leichter, an weitere Infos zu kommen: Bei einem amerikanischen Händler kann das Blatt für 550,00$ erstanden werden. Der Selenicereus kostet dort 1100,00$


Zuletzt von prosopis am So 06 Okt 2013, 00:47 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet (Grund : Ergänzung)
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Beitrag  prosopis Sa 05 Okt 2013, 23:37

A propos Ananas:

Hier zwei mal dieselbe Pflanze aus unterschiedlichen Büchern.

Links: "QUEEN PINE" aus James Anderson: "The New Practical Gardener and Modern Horticulturist", eine Chromolithografie, bei Mackenzie, London, Edinburgh & Glasgow 1875 und
Rechts: "PINE-APPLE", nochmals abgebildet bei J. H. F. Brabner (Hrsg.): "The National Encyclopaedia. A Dictionary of Universal Knowledge...", London, 1884. Eine normale Lithografie. Gedruckt mit der selben Platte wie links.

(Die beiden Abbildungen sind, entgegen der hier gezeigten Darstellung genau gleich groß. Nur ist das rechte Bild am Rand beschnitten, also etwas schmäler, wird vom Bilderhoster auf die gleiche Breite gebracht und erscheint deswegen vergrößert.)

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Bei der Chromolithografie links kann man bei genauerem Hinsehen etwas zum Druckverfahren erkennen. Bei dieser Drucktechnik wurden Steinplatten mit jeweils einer einzelnen Farbe versehen nacheinander gedruckt. Nach dem Antrocknen einer Farbe wurde eine jetzt mit anderer Farbe versehene Platte erneut darübergedruckt. Damit es da keine Verschiebungen und somit unscharfe Ränder geben konnte, waren oben am Papier Anlegemarken eingedruckt, so dass exakt gearbeitet werden konnte. Am oberen Rand der linken Abbildung kann man diese Markierungen noch erkennen. Üblicherweise lagen diese außerhalb des Bildbereiches und wurden nach dem Druck abgeschnitten. Hier mal etwas rausvergrößert:

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Da der Drucker nicht haarscharf deckungsgleich gearbeitet hat, kann man hier einigermaßen erkennen, welche Farben zum Zuge kamen und herauslesen, wie viele einzelne Druckvorgänge für das fertige Bild nötig waren. Auf jeden Fall zu sehen die Farben Gelb, Rot, Grün und Schwarz, wenn ich mich nicht irre. Also mindestens vier aufeinander folgende Druckvorgänge. Bei Hochwertigen Drucken kamen auch schon mal über 20 Farben in einzelnen Druckvorgängen verabreicht, zusammen.
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vergangenen - Aus meiner Grafiksammlung - der Charme der vergangenen Jahrhunderte! - Seite 4 Empty YUCCA

Beitrag  prosopis Di 08 Okt 2013, 21:26

weil hier im Forum auch den Yucca-Arten große Aufmerksam zuteil kommt, hier mal einige aus meinem Altpapier:

gleich zu Anfang eine Pflanze, welche auf der Abbildung gleich DREI verschiedene Namen trägt.

Unter der Darstellung steht als Artbezeichnung "LITTEA geminiflora (Tagliab. Bibl. Ital.)", AGAVE geminiflora (Brand.)" und dann noch "YUCCA boscii (Desf.)". Das Blatt, ein handkolorierter Kupferstich, stammt aus dem seltenen Werk "Dizionario di Scienze Naturalis", von Batelli, aus dem Jahr 1831. Die italienische Ausgabe eines früheren französischen Werkes von F. G. Levrault: "Dictionnaire des Sciences Naturelles". Der Zeichner Turpin, unten links angegeben, war Franzose, ich nehme an, dass der Name daher auch "französisch" ausgesprochen wird. Turpin war ein sehr berühmter, gut ausgebildeter und anerkannter Illustrator. Zusammen mit Redouté, Pancrace Bessa und Prévost gilt er als führender Künstler des 19. Jahrhunderts im Bereich der botanischen Illustration in Frankreich. Größe des Blattes: 17 x 25,5cm.
Vielleicht ist das ja gar keine Yucca. Die Experten werden mich aufklären können...

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Die Yucca filamentosa von Pancrace Bessa (1772-1834) darf also hier nicht fehlen. Ein Kupferstich aus dem Werk von De Launay etc.: "Herbier general de l'Amateur..." von 1830. In diesem Werk finden sich 572 Darstellungen aus der Hand von Bessa. Er arbeitete auch mit dem berühmten Meister Redouté zusammen, seine exzellenten Darstellungen erzielen durchaus ansehnliche Preise auf dem Grafikmarkt.

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Die Schwiegertochter von Charles X. Philippe, König von Frankreich erhielt, gemeinsam mit ihrer Familie, von Pancrace Bessa Zeichenunterricht, was seinen Finanzen zusätzlichen Aufschwung bescherte.

Links unten: Hier mal das "SILK GRASS", Yucca filamentosa, aus Edward Step: "FAVOURITE FLOWERS OF GARDEN & GREENHOUSE", London 1896/97. Da wurden wöchentlich kleine Hefte aufgelegt, mit den unterschiedlichsten Pflanzen, welche darin vorgestellt sind. Komischerweis sind die darin gegebenen Beschreibungstexte nicht identisch mit den gelieferten Bildbeilagen, so konnte ich jedenfalls feststellen. Sei's drum: eine schöne, Chromolithografie. Mit den Farben wurde hier sparsam umgegangen, was die Anzahl der Druckvorgänge sowie den Herstellungspreis minimierte.
Rechts unten: Das zugehörige Cover der damaligen Heftreihe.

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Und hier eine weitere schöne Chromolithografie, eine "YUCCA BACCATA" zeigend. Die Darstellung stammt aus Ambroise Verschaffelt, Lemaire et al.: "L'Illustration horticole, Journal Spécial des Serres et des Jardins...", gedruckt bei Stroobant in Gent, Belgien, 1869. Eine Ausklapptafel der Größe 27 x 34,5cm. Illustriert nach einer Pflanze aus dem Garten von Jean Linden von P. De Pannemaeker, einem der besten Illustratoren der Zeit:

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Und zum Schluss noch was aus Curtis's Botanical Magazine, in welchem sich zahlreiche Darstellungen verschiedener Yucca-Arten finden. Hier mal eine Ausklapptafel von 1810, eine "Yucca gloriosa" zeigend.

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vergangenen - Aus meiner Grafiksammlung - der Charme der vergangenen Jahrhunderte! - Seite 4 Empty Arzneipflanzen Aloe Euphorbia

Beitrag  prosopis Do 10 Okt 2013, 16:52

Viele Sukkulenten werden und wurden schon seit jeher als Arzneipflanzen genutzt (Auch Selenicereus ist in der Pharmazie kein unbekannter).
Somit ist es nicht verwunderlich, dass nicht nur in rein botanischen Werken Abbildungen zu finden sind. Die alten Kräuterbucher des ausgehenden Mittelalters geben Zeugnis für deren Verwendung ab. In einigen meiner älteren Beiträge kann man hier in diesem Thread schon einiges dazu finden. Manche Nachschlagewerke früherer Zeit richteten sich speziell an Ärzte, Apotheker u.ä., wo die entsprechenden Pflanzen in Wort und Bild vorgestellt wurden. Diese Bücher wurden in oft sehr kleiner Auflage gedruckt; Illustrationen daraus sind vergleichsweise selten und nicht sehr bekannt. Im Gegensatz zu den tollen Tafelwerken für Botaniker fristen diese eher ein Nischendasein.

Hier mal zwei Abbildungen aus dem "Hand-Atlas sämmtlicher medicinisch-pharmaceutischer Gewachse", herausgegeben von Dr. Wilibald Artus (1811-1880) aus dem Jahr 1848.

Links unten: "Euphorbia officinarum L. Oficinelle Euphorbie". Hier hat ein Vorbesitzer noch seine handschriftliche Ergänzung angebracht. Die Namen der Arten officinale, officinalis und officinarum bezeichnen Pflanzen mit einer arzneilichen Wirkung. Der deutsche Begriff Offizin ist ein veralteter Ausdruck für Apotheke. Pflanzen mit diesem Artnamen werden schon seit ihrer Benennung von Apothekern als Heilmittel verwendet.
Rechts unten: "Aloe Soccotorina Haw. Rothe Aloe", Blütenfarbe rot/gelb/grün:

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Interessant hierbei, dass es bei der Aloe zur Abwechslung mal "Soccotorina" heißt und selbige zu den "Asphodelaceae" gestellt wird. Das Papier der beiden handkolorierten Kupferstiche ist schon fast kartonartig, außerdem stärker gebräunt. Diese Nachdunklung ist typisch für alle Abbildungen aus diesem Werk. Möglicherweise kamen hier bei der Papierherstellung schon Holzbestandteile zum Einsatz(?), so wie heutzutage bei den modernen Papieren üblich.

Und noch eine Besonderheit: Derjenige, welcher damals die Farben aufgetragen hat, nutzte zur Verschönerung noch eine weitere Substanz, welche größere Brillanz erzeugen sollte. Manchmal wurde Gummiarabicum aufgepinselt, in diesem Falle könnte es eine Eiweißmischung gewesen sein. Kippt man das Blatt nämlich gegen das Licht, so schillern die bearbeiteten Flächen irgendwie silbrig. Die Darstellung hebt sich daher noch stärker ab.

Hier nochmal das Blatt, gegen das Licht gekippt:

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Auch in einem anderen, ziemlich seltenen, zeitgenössischem Nachschlagewerk für Ärzte und Apotheker finden sich solche Illustrationen. Hier ebenfalls zwei Aloen, und zwar aus Eduard Winkler: "Getreue Abbildung aller in den neuern Pharmacopöen (Austriaca, Borussica, Bavaric, Saxon etc. etc.) aufgenommenen officinellen Gewaechse nebst ausführlicher Beschreibung derselben in medicinischer, pharmaceutischer und botanischer Hinsicht", Leipzig, 1850

Links unten: "Aloe arborescens Mill.". Rechts unten: "Aloe soccotrinu" Haw."; hier in der weiteren interessanten Schreibweise "soccotrinu":

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Unten links: Die Aloe arborescens finden wir auch bei Edward Step abgebildet (siehe voriger Beitrag über Yucca), eine Chromolithografie aus dem Jahr 1896/97
Unten rechts: Bereits Elizabeth Blackwell hatte eine Aloe abgebildet, welche mit Aloe Sucotrina bezeichnet war, mit rein roter Blüte. Hier der Kupferstich von Trew in Nürnberg des Jahres 1755, die Neufassung der Blackwellschen Abbildung (an anderer Stelle hier in diesem Thread habe ich bereits einiges aus Blackwell gezeigt):

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Die Apotheken-Euphorbie, Euphorbia officinarum, finden wir auch noch woanders abgebildet.
Unten links: Hier mal zur Abwechslung in einem englischen Buch für Botaniker und Pflanzenliebhaber. Es ist von Gilbert Thomas Burnett: "Encyclopedia of Useful and Ornamental Plants...", eine handkolorierte Lithographie von 1852.
Unten rechts Aus Friedrich Justin Bertuch: "Bilderbuch für Kinder", in seinem Kapitel über Arzneipflanzen, von 1800. Abgebildet zusammen mit "Canella alba" (Weißer Zimt), ebenfalls die Apotheker-Euphorbie, hier Euphorbia officinalis" genannt. Bertuch schreibt, dass deren eingedickter Milchsaft, in der Heilkunde nur äußerlich angewandt, als Ätzmittel Verwendung findet.

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Eine genauere Beschreibung der Anwendung des Euphorbiensaftes findet man im berühmten Standartwerk von Hermann Adolph Köhler: "Köhlers Medizinal-Pflanzen in naturgetreuen Abbildungen...". Hieraus eine Abbildung einer Euphorbia resinifera Berg.. Eine Chromolithographie von 1887 (22,5 x 29,5cm):

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Alles wiederzugeben, was dort steht würde hier den Rahmen sprengen. Also kurz: Köhler schreibt, "Offizinell ist der erhärtete Milchsaft, das Gummiharz: Euphorbium (Gummi Euphorbium, Resina Euphorbium)"  
Am Schluss der umfangreichen Beschreibung und Erläuterung der Inhaltsstoffe, sowie deren Gewinnung heißt es, dass das Harz nur noch in der Veterinärpraxis Verwendung fände. Nach drastischer Schilderung aller negativen Nebenwirkungen beim Menschen heißt es: "Das Gummiharz soll jetzt hauptsächlich zum Ueberziehen der Schiffsböden Verwendung finden."


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vergangenen - Aus meiner Grafiksammlung - der Charme der vergangenen Jahrhunderte! - Seite 4 Empty Re: Aus meiner Grafiksammlung - der Charme der vergangenen Jahrhunderte!

Beitrag  Gast Do 10 Okt 2013, 20:10

Wirklich toll, was Du alles zusammengetragen hast, sowohl an alten Stichen wie auch an Wissenswertem. Ich schaue gerne wieder rein.
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vergangenen - Aus meiner Grafiksammlung - der Charme der vergangenen Jahrhunderte! - Seite 4 Empty Asclepiadaceae zum Zweiten

Beitrag  prosopis Sa 12 Okt 2013, 21:39

Hallo, Elke,

vielen Dank!

Ich setze mal die Vorstellung einiger altehrwürdiger Darstellungen verschiedener Asclepiadaceae fort.

In meinem Beitrag über Yucca habe ich bereits Bezug genommen auf die beiden herausragenden französichen Künstler Pancrace Bessa und Turpin.

Unten: Hier mal zwei Abbildungen (Kupferstiche) der Stapelia hirsuta, links von Turpin aus 1829 und rechts von Bessa aus dem Jahr 1830:

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Und nun was ganz reizvolles aus "Curtis's Botanical Magazine", eine "STAPELIA PULVINATA" (CUSHIONED STAPELIA) von 1809, gezeichnet von Sydenham Edwards, gestochen von F. Sansom junior:

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In dem über 200 Jahre alten Begleittext heißt es dazu, dass dies eine der attraktivsten Arten aus dieser Gattung sei. Allerdings mit dem Hinweis, dass nicht alle Pflanzen dieser Art eine so ausgeprägte Blütenfarbe hätten. Aber das, dem Zeichner vor Jahren vorgelegene Exemplar aus der Sammlung eines gewissen Mr. Woodford in Vauxhall  hätte halt eine besonders ansehnliche Blüte gehabt. Die Art wachse, so die Auskunft, in Südafrika am Kap, in der Nähe der Stadt Camies-Burg, und die holländisch stämmigen Einwohner bezeichneten diese Pflanze als "Arabische Rose". Gleichwohl, so ist zu lesen, sorge schon alleine der Duft der Blüte dafür, dass man diese Art wohl kaum den wohlriechenden Rosen zuordnen könnte...  

Und man findet eine exakt gleiche Darstellung noch einmal im "Bilderbuch für Kinder" des Herrn Bertuch aus Weimar, entstanden um die gleiche Zeit. Entweder war der Stecher bei Bertuch ein Meister im Abkupfern, oder es wurde auch hier die selbe Druckplatte verwendet wie bei Curtis (?). Hier mal aus meiner Sammlung zwei Blätter davon nebeneinander gestellt:

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Jetzt kann man sich mal den Spaß machen und die beiden, in unterschiedlichen Werken vorgestellten Pflanzen vergleichen. Die Abbildungen sind bis ins Detail deckungsgleich. Lediglich die Koloristen haben da ihrer Individualität freieren Lauf gelassen. Während bei Curtis fein ziseliert wurde, wurde bei Bertuch beim Farbe auftragen etwas flotter gepinselt. Ich habe hier mal je zwei Curtis-Exemplare und dann zwei Bertuchsche Abbildungen verglichen. Dazu hab ich mal den inneren Blütenausschnitt genommen. Hier sieht man doch feine Unterschiede.
Obere Reihe: zwei mal Curtis
Unten: zwei mal Bertuch:

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Und weil's so schön ist einfach mal noch einiges aus Curtis:

Links unten: Stapelia lentiginosa von 1801, rechts unten: Stapelia verrucosa von 1804

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Weiter geht es mit links unten: Stapelia maculosa von 1816 und rechts unten: Stapelia gemmiflora, ebenfalls von 1816

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Dann noch eine Stapelia deflexa von 1817:

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Und zum Abschluss mal eine nichtsukkulente Asclep. Aus dem Garten von Benoit van Houtte in Gent eine Lithographie von etwa 1855, eine "ASCLEPIAS DOUGLASII":

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Schlußbemerkung: Alle angegebenen Artbezeichnungen wurden den Originaltexten entnommen und können natürlich heutzutage auch ganz anders lauten, je nach neuestem wissenschaftlichem Stand.

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vergangenen - Aus meiner Grafiksammlung - der Charme der vergangenen Jahrhunderte! - Seite 4 Empty Eriosyce

Beitrag  prosopis Sa 09 Nov 2013, 17:25

Zwei Kupferstiche, zwei Lithographien vier Namen und viele Fragen...

Habe hier mal 4 alte Darstellungen aus meinem kleinen Grafikkabinett hergenommen, weil ich mal wissen wollte, was denn da genau drauf abgebildet ist. Nach heutigem Artverständnis.

Erst mal alle vier Blätter auf einmal, damit man einen Größenvergleich hat - das kleinste, rechts oben hat etwa DIN A5-Größe.
Die zugehörigen damaligen Namen:
Links oben "Mammillaria floribunda", rechts oben "Echinocactus mammillarioides",
links unten "Echinocactus acutissimus", rechts unten "Echinocactus centeterius var. major"

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Im Einzelnen

Das Blatt oben links mit "Mammillaria floribunda" stammt aus "Curtis's Botanical Magazine", hat die lfd. Nummer 3647 und ist ein Kupferstich aus dem Jahre 1838. Hier ist zu lesen, dass diese Pflanzen von einem Mr. Hitchin aus Chile importiert wurden und in die Sammlung der Herren Mackie in deren Gärtnerei, der "Norwich Nursery" gelangten. Der Autor bei Curtis schrieb, dass er dazu nirgendwo eine Beschreibung finden konnte und stellt fest, dass inzwischen doch schon einige Kakteen-Arten aus dem außertropischen Amerika ihren Weg in die Sammlungen gefunden hätten. Damit, so sein Statement, irrten die bisherigen Autoren, dass Kakteen eine Eigentümlichkeit der wärmeren Tropen seien. Der Schreiber bei Curtis konnte sich überhaupt keinen Reim auf diese Pflanzen machen und meint, dass eine Ähnlichkeit mit einer ebenfalls bei Curtis abgebildeten "Mammillaria atrata" - ebenfalls aus Chile - da sein könnte. Eine Mammillaria aus Chile?
Hier erst nochmal das gute Stück, eine oben leicht beschnittene Ausklapptafel:

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Auflösung: Es handelt sich laut botanicus.org um die heute bekannte Art "Neoporteria (Eriosyce) subgibbosa". hier


Das Blatt auf der Gesamtdarstellung oben rechts ist ebenfalls aus "Curtis's Botanical Magazine", mit der lfd. Nr. 3558, ebenfalls ein Kupferstich, mit Datum 1. März 1837, mit "Echinocactus mammillarioides" bezeichnet. Auch diese Pflanze, so wird berichtet, wurde von diesem gewissen Herrn Hitchin aus Chile importiert und stand auch in der Sammlung der Herren Mackie. Vom Habitus her, so ist zu lesen, stünde das Teil irgendwo zwischen Mammillaria und Echinocactus, zwar mit Warzen versehen, welche allerdings größeren Ausmaßes waren; eine Rippenanordnung ist zu erkennen, aber die Blüten seien doch eher Echinocactus zuzuordnen. Da der damalige Autor nur das Bild und keine lebenden Pflanzen vorliegen hatte, konnte er auch hier keine Beschreibung abliefern.
Hier nochmal die Tafel mit dem Kupferstich:

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Auflösung: Bei llifle.com wird das Pflänzchen nunmehr unter "Eriosyce curvispina var. mammillarioides" geführt. hier (Bei plantillustrations.com heißt das Ding Ferocactus glaucescens", aber ich nehme an, dass llifle.com wohl Recht hat)



Weiter geht's, aber jetzt wird es schwieriger, weil  mir zu den beiden Blättern im unteren Teil des ersten Bildes ganz oben keine Originalbeschreibungen vorliegen. Ich kann also nur die Bildunterschriften mit den Namensbezeichnungen hernehmen.

Auf dem eingangs gezeigten ersten Bild findet sich unten links eine handkolorierte Lithographie aus dem bekannten deutschen Standartwerk von Ludwig (Louis) Georg Karl Pfeiffer und Carl Friedrich Eduard Otto, "Abbildung und Beschreibung blühender Cacteen", erschienen in 3 Bänden von 1845 - 1851, enthaltend 60 Tafeln. Vieles darin ist angelehnt an die Forschungen des Fürsten Josef zu Salm-Reifferscheidt-Dyck. Wirklich komplett mit Originaleinband ist dieses Werk heute kaum zu bekommen. Ein Freund von mir hat es seit vielen Jahren tatsächlich in seiner Sammlung stehen, worauf er berechtigterweise mächtig stolz ist. Komplett-Kaufpreis heute (bei ZVAB zu finden) 8000,00€; immerhin versandkostenfrei, allerdings nicht mit Orginaleinband.
Die Darstellung zeigt einen "Echinocactus acutissimus". Die Farben sind bei meinem Exemplar sehr zart aufgetragen, es dürfte sich vielleicht hier sogar um eine der seltenen, vollständig kolorierten Blätter handeln; meistens wurden nicht alle Teile farbig gemacht, einiges blieb schwarz/weiß. Dieses Blatt habe ich auch schon mit wesentlich kräftiger aufgetragenen Farben gesehen. Da man früher fast alles unter Echinocactus stellte, ist es heute natürlich interessant zu wissen, worum es sich bei der gezeigten Pflanze nun genau handelt.
Hier also nochmal das besagte Blatt; dickes, fast schon kartonartiges Papier.

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Auflösung: Laut plantillustrations.com ist das nun eine "Eriosyce subgibbosa f. acutissima". hier Alles klar?

Und zum Schluß das Ding von unten rechts. Es ist, soweit mir bekannt, von 1839 und aus "Herbier général de l'amateur, contenant la description, l'histoire, les propriétés et la culture des végétaux utiles et agréables" von Mordant de Launay und Loiseleur-Deslongchamps (Hrsg.). Jussieu, Lemaire u.a. waren da als Autoren mit beteiligt. Eine der wenigen darin enthaltenen großen Tafeln; die meisten hatten nur etwa DIN A5-Format. (siehe auch meinen Beitrag #32, Melocactus lemarii). Ist wohl eine Lithographie und zeigt eine Pflanze mit der Bezeichnung "Echinocactus centeterius, var major".

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Auflösung: Gleich mal bei llifle.com nachgesehen: Da steht, dass der ehemalige "Echinocactus centeterius" eine "Eriosyce curvispina var. mammillarioides" sein soll. Dann wäre es sozusagen dasselbe, wie der weiter oben gezeigte "Echinocactus mammillarioides". Als Autorenkürzel findet sich "Lehm. ex Pfeiff.". Mag stimmen, denn beim Pfeiffer/Otto ist auch ein Echinocactus centeterius abgebildet, allerdings sieht der dort ein bisschen anders aus, als der hier gezeigte aus Mordant de Launay...
Außerdem ist das hier ja die "var. major". Und dazu sagt man heute allerdings laut theplantlist.org: "Gymnocalycium valnicekianum" (Gmnocalycium mostii subsp. valnicekianum) hier



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