Diskussion zum Thema "Selbstfertile/Kleistogame Kakteenarten"
+3
Dominik
Reinhard
turbini1
7 verfasser
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Re: Diskussion zum Thema "Selbstfertile/Kleistogame Kakteenarten"
Hallo,
die Sache mit der Selbstfertilität bzw. -sterilität ist wirklich sehr spannend. Ich experimentiere schon viele Jahre mit Sinningia pusilla (kein Kaktus). Die setzt leicht von selbst Samen an. Die Früchte werden aber, wenn man nachhilft, größer und samenreicher. Bastardierungen (sogar Gattungsbastarde) sind durchaus möglich. Ich entferne dazu aber sicherheitshalber die Staubbeutel der zu befruchtenden Blüten.
Schon der ja mit extrem viel Züchtererfahrung ausgestattete Hugo de Vries deutet gelegentlich darauf hin, dass Ausnahmen von der üblichen Selbststerilität einer Art speziell bei einzelnen besonders kräftigen Exemplaren vorkommen (z. B. Linaria vulgaris).
Besondere vegetative Kräftigkeit kann außer durch die Kulturbedingungen auch durch eine in Richtung Bastardierung gehende Herkunft einer Pflanze bedingt sein (Heterosis-Effekt). Zu starke Heterosis bringt zwar gewöhnlich Sterilität mit sich (siehe Maultier), aber tendenziell auch die Fähigkeit zu einer stärker in die vegetative (asexuelle) Richtung gehenden Fortpflanzungsweise. Die Pflanze bzw. das Tier hat dann gewissermaßen schon genug Heterogenität in sich selbst, um auf den Einfluss von außen verzichten zu können. So ist z. B. der unter Terrarianern so beliebte Jungferngekko, von dem es nur "Weibchen" gibt, eine Naturhybride. Selbstfertilität würde ich schon als einen Schritt in Richtung asexueller Fortpflanzung betrachten, auch wenn dabei noch eine Vereinigung von Ei- und Pollenzelle nötig ist. Selbstfertile Pflanzen müssen auf irgendeine Weise in sich heterogener sein als selbststerile.
Dass die Pflanze prinzipiell Fremdbestäubung vorzieht, auch wenn sie zur Selbstbestäubung fähig ist, stimmt in vielen Fällen. Aber so, wie es eben auch physiologische Kreuzungsbarrieren gibt, die ausgiebigere Bastardierungen verhindern, gibt es gewissermaßen als Steigerung davon auch Bevorzugung der Selbstbestäubung. So setzen oft ausgerechnet kleistogame Blüten an Pflanzen, wo sie vorkommen (z. B. Veilchen) viel stärker Frucht an als die offenen (chasmogamen).
Die ganze Vermehrung spielt sich in einer immer auf irgendeine Weise hergestellten Ballance zwischen vegetativ und generativ, Tendenz zur Inzucht - Tendenz zur Heterosis-Sterilität ab.
Einen auffälligen Einfluss auf die Verschiebung der Fortpflanzungsweise in die vegetative Richtung haben auch Kühle und Feuchtigkeit. Der bei uns meist apomiktische Löwenzahn (Taraxacum) braucht im wärmeren Mittelmeerraum verstärkt echte Bestäubung, die Rote Zaunrübe (Bryonia dioica) wird im Norden ihres Verbreitungsgebietes einhäusig (was ich ebenfalls als Abschwächung der geschlechtlichen Fortpflanzungsweise auffassen würde), Brillenschötchen (Biscutella laevigata) und Alpen-Rispengras (Poa alpina) gehen in den höheren Regionen verstärkt zu Wurzelspross-Bildung bzw. Viviparie über u. s. w., u. s. w. Ein weites, aber sehr spannendes Feld...
Freundliche Grüße! - Manfrid
die Sache mit der Selbstfertilität bzw. -sterilität ist wirklich sehr spannend. Ich experimentiere schon viele Jahre mit Sinningia pusilla (kein Kaktus). Die setzt leicht von selbst Samen an. Die Früchte werden aber, wenn man nachhilft, größer und samenreicher. Bastardierungen (sogar Gattungsbastarde) sind durchaus möglich. Ich entferne dazu aber sicherheitshalber die Staubbeutel der zu befruchtenden Blüten.
Schon der ja mit extrem viel Züchtererfahrung ausgestattete Hugo de Vries deutet gelegentlich darauf hin, dass Ausnahmen von der üblichen Selbststerilität einer Art speziell bei einzelnen besonders kräftigen Exemplaren vorkommen (z. B. Linaria vulgaris).
Besondere vegetative Kräftigkeit kann außer durch die Kulturbedingungen auch durch eine in Richtung Bastardierung gehende Herkunft einer Pflanze bedingt sein (Heterosis-Effekt). Zu starke Heterosis bringt zwar gewöhnlich Sterilität mit sich (siehe Maultier), aber tendenziell auch die Fähigkeit zu einer stärker in die vegetative (asexuelle) Richtung gehenden Fortpflanzungsweise. Die Pflanze bzw. das Tier hat dann gewissermaßen schon genug Heterogenität in sich selbst, um auf den Einfluss von außen verzichten zu können. So ist z. B. der unter Terrarianern so beliebte Jungferngekko, von dem es nur "Weibchen" gibt, eine Naturhybride. Selbstfertilität würde ich schon als einen Schritt in Richtung asexueller Fortpflanzung betrachten, auch wenn dabei noch eine Vereinigung von Ei- und Pollenzelle nötig ist. Selbstfertile Pflanzen müssen auf irgendeine Weise in sich heterogener sein als selbststerile.
Dass die Pflanze prinzipiell Fremdbestäubung vorzieht, auch wenn sie zur Selbstbestäubung fähig ist, stimmt in vielen Fällen. Aber so, wie es eben auch physiologische Kreuzungsbarrieren gibt, die ausgiebigere Bastardierungen verhindern, gibt es gewissermaßen als Steigerung davon auch Bevorzugung der Selbstbestäubung. So setzen oft ausgerechnet kleistogame Blüten an Pflanzen, wo sie vorkommen (z. B. Veilchen) viel stärker Frucht an als die offenen (chasmogamen).
Die ganze Vermehrung spielt sich in einer immer auf irgendeine Weise hergestellten Ballance zwischen vegetativ und generativ, Tendenz zur Inzucht - Tendenz zur Heterosis-Sterilität ab.
Einen auffälligen Einfluss auf die Verschiebung der Fortpflanzungsweise in die vegetative Richtung haben auch Kühle und Feuchtigkeit. Der bei uns meist apomiktische Löwenzahn (Taraxacum) braucht im wärmeren Mittelmeerraum verstärkt echte Bestäubung, die Rote Zaunrübe (Bryonia dioica) wird im Norden ihres Verbreitungsgebietes einhäusig (was ich ebenfalls als Abschwächung der geschlechtlichen Fortpflanzungsweise auffassen würde), Brillenschötchen (Biscutella laevigata) und Alpen-Rispengras (Poa alpina) gehen in den höheren Regionen verstärkt zu Wurzelspross-Bildung bzw. Viviparie über u. s. w., u. s. w. Ein weites, aber sehr spannendes Feld...
Freundliche Grüße! - Manfrid
Manfrid- Kakteenfreund
- Anzahl der Beiträge : 938
Re: Diskussion zum Thema "Selbstfertile/Kleistogame Kakteenarten"
Ein wirklich sehr interessantes Thema, welches man wirklich noch sehr ausweiten könnte. Daher nur kurz: Auch wenn eine vegetative Vermehrung oder eine Selbstbestäubung in manchen Fällen deutliche Vorteile hat, ein entscheidenter Nachteil bleibt immer: Evolutionstechnisch hinken solche Lebewesen hinterher. Was will denn die Natur noch auslesen, wenn man 100 Klone von ein und demselben Exemplar hat? Letztendlich ist die Selbstbestäubung meist nur eine Anpassung an widrige Umstände, welche die eigentlich ideale Genpoolerweiterung sehr schwer erreichbar machen. Auch wenn man nur die Wahl zwischen Pest und Cholera hat, muss man sich halt manchmal entscheiden um ein Fortbestehen überhaupt möglich zu machen.
Gast- Gast
Re: Diskussion zum Thema "Selbstfertile/Kleistogame Kakteenarten"
...Na, es gibt ja auch noch die "somatischen Mutationen", die der Auslese selbst bei vegetativer Fortpflanzung einen Angriffspunkt geben.
Und: Auch die größere Änderungsrate bei generativer Vermehrung hat ihre Nachteile. Zur Situation passende Eigenschaften werden instabil.
(Um die Sache noch ein Bisschen komplizierter zu machen...)
Gruß von Manfrid
Und: Auch die größere Änderungsrate bei generativer Vermehrung hat ihre Nachteile. Zur Situation passende Eigenschaften werden instabil.
(Um die Sache noch ein Bisschen komplizierter zu machen...)
Gruß von Manfrid
Manfrid- Kakteenfreund
- Anzahl der Beiträge : 938
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