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Extraflorale Nektarien

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Beitrag  CO2 Mo 06 Nov 2017, 11:00

So, jetzt habe ich mir den Thread durchgelesen, die externen Verlinkungen lese ich heute Abend - habe schließlich noch einen Job Rolling Eyes

@ Hardy:

Danke für die Kurzzusammenfassung!

@ Matthias

Man kann seine Natur nicht verleugnen: bin halt ein Held des Alltags Wink

@ Thema:

Konsistenz und Geschmack der von mir verkosteten Flüssigkeit wies schon sehr auf Zucker hin, allerdings war der Geschmack nicht industriezuckertypisch. Da ich mich sonst bei Nektar bisher zurückgehalten habe, kann ich nichts weiteres dazu sagen. Eine chemische Analyse wäre hier aber dringend nötig, wenn es sie noch nicht gibt.

Im Sommer ist mir die Flüssigkeit noch nicht aufgefallen, das mag aber Zufall sein.

Zur weiteren Klärung dieses Themas ist vielleicht folgendes hilfreich:

Wir sollten über die nächsten Jahre beobachten, an welchen Pflanzen zu welcher Jahreszeit solche Tröpfchen auftauchen. Daraus könnte man etwas (im Rahmen unserer Möglichkeiten) handfesteres über die taxonomische, jahreszeitliche und geographische Verteilung dieses Phänomens herausfinden.
Daraus wiederum könnte man dem Zweck weiter auf die Schliche kommen.

Im Endeffekt wäre es für die Bestimmung des Zwecks der Ausscheidung egal, ob es sich dezidiert um Nektarflüssigkeit oder durch Dehydrierung bewirkte Konzentration von zuckerhaltiger Gewebeflüssigkeit handelt, insofern in beiden der für den etwaigen Zweck benötigte Stoff (z. B. Zucker) vorhanden ist.

Allerdings meine ich, dass man für die Zweckbestimmung über eine empirische Untersuchung an den Naturstandorten (und das hieße, über das Jahr verteilt immer wieder die Standorte zu besuchen und das Verhalten der Insekten dort zu beobachten) nicht umhin kommt, und das können wir als Laien nicht leisten. Alles andere bleibt Spekulation (die aber für sich durchaus eine Berechtigung hat!).

In dem Zusammenhang scheint mir für die Spekulation wichtig zu sein, was Manfrid in Beitrag 42 teilweise ansprach (zu "Degeneration"), dass nämlich evolutive Durchsetzungsstrategien eher bedeuten "Strategie A ist (zur Zeit t unter Bedingung p) besser als B, C,... n", was aber nicht heißt, dass A an und für sich gut oder sehr gut wäre! Ferner auch: "Eigenschaft A (die jetzt einmal vorhanden ist) ist nicht so schlecht, dass sie zum Aussterben der Population führt".

Ich habe nämlich den Eindruck, dass (nicht speziell hier im Forum, sondern ganz allgemein) man biologischen Phänomenen zu häufig eine größere teleologische Kraft zuschreibt, als das tatsächlich der Fall ist.

Viele Grüße (vom jetzt endlich aber mal ganz fleißigen)
Jens
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Beitrag  Gast Mo 06 Nov 2017, 12:15

Cristatahunter schrieb:Wenn ich das nächste mal wieder pfropfe, werde ich im Selbstversuch eine Schnittstelle ablecken und euch mitteilen wie es schmeckt. 
Es ist ja ganz klar das solche Absonderungen nicht nach nichts schmecken. Andererseits sollte man vorsichtig sein solche Säfte zu kosten. Könnten ja Insektizide enthalten.
Vorsicht ist nur geboten, wenn man in der Sammlung rumgegiftelt hat. Ansonsten würde mich schon auch interessieren, was bei so einem Lecktest rauskommt. Beim Pfropfen dann aber vorher bitte unbedingt Sagrotan gurgeln! Shocked
Aber du wirst lachen: Vor ein paar Wochen erst musste ich eine Eriosyce entsorgen und neugierig wie ich bin, hab ich ein Messer gezückt und einen Lecktest gemacht. Süß war da nix und allein die Erinnerung an diesen extrem bitteren Geschmack lässt mich heute noch schaudern. Evil or Very Mad Soviel zum Thema "Held des Alltags". Wink

CO2 schrieb:Eine chemische Analyse wäre hier aber dringend nötig, wenn es sie noch nicht gibt.
Auch die gibt´s. Wird das nicht irgendwo in diesem Thread erwähnt? Wasser, diverse Glukoseverbindungen, Eiweiße und Aminosäuren - anders formuliert: Optimiertes Kraftfutter für die moderne Ameise von heute.

CO2 schrieb:Allerdings meine ich, dass man für die Zweckbestimmung über eine empirische Untersuchung an den Naturstandorten (und das hieße, über das Jahr verteilt immer wieder die Standorte zu besuchen und das Verhalten der Insekten dort zu beobachten) nicht umhin kommt
Selbstverständlich wurde auch dies schon mehrfach erledigt. Egal für welche Pflanzen, die Ergebnisse waren durchaus vergleichbar. Sogar bei einem Kaktus hat man sich die Mühe gemacht - siehe Link in Beitrag 44 --> https://www.kakteenforum.com/t28180p40-extraflorale-nektarien#328896
Da im Beitrag selbst auch eine mühevoll erstellte Kurzzusammenfassung mit angeführt ist, schließe ich mal, dass du dann doch nicht so ganz aufmerksam gelesen hast. Wink
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Beitrag  Cristatahunter Mo 06 Nov 2017, 15:29

Dann trifft hier theleologisches denken auf einfach logisches denken. 
Entweder: Der Kaktus reguliert seinen Wasserhaushalt/Wasserdruck/Hydration.
Oder: Der listige Kaktus lockt mit einem Geschenk das Insekt, um ihm eine Arbeit zuzuteilen.
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Beitrag  CO2 Mo 06 Nov 2017, 17:59

Shamrock schrieb:Selbstverständlich wurde auch dies schon mehrfach erledigt. Egal für welche Pflanzen, die Ergebnisse waren durchaus vergleichbar. Sogar bei einem Kaktus hat man sich die Mühe gemacht - siehe Link in Beitrag 44 --> https://www.kakteenforum.com/t28180p40-extraflorale-nektarien#328896
Da im Beitrag selbst auch eine mühevoll erstellte Kurzzusammenfassung mit angeführt ist, schließe ich mal, dass du dann doch nicht so ganz aufmerksam gelesen hast. Wink

Lieber Matthias,

mea culpa! Ich werde mich nachher mit einem Stenocereus eruca geißeln Wink

Habe zwar immer noch nicht die externen Links gelesen (wird wohl heute nichts mehr), Beitrag 44 verstand ich allerdings so, dass nur die Opuntia stricta untersucht wurde. Mein Kommentar bezog sich daher auf eine empirische Untersuchung mehrerer Arten.

Denn - und hier @ Cristatahunter - es mag richtig sein, dass es nur auf diese beiden Möglichkeiten hinausläuft, allerdings kann es innerhalb der Kakteen (und um so mehr auch unter allen anderen Pflanzen mit EFN) hier verschiedene Ursachen und Vorteile geben und diese Vorteile (z. B. das Ameisenanlocken) auch nur Nebeneffekte sein, wobei dann der eigentliche Grund nicht primär im augenscheinlichen Vorteil bestünde.

Mir ist das hier alles noch nicht kompliziert und verschraubt genug!   Gestört

Im Ernst: Mir geht es nur darum, hier nicht voreilig zu sein.

Viele Grüße (vom beim nächsten Mal die externen Links gelesen habenden)
Jens
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Beitrag  Cristatahunter Mo 06 Nov 2017, 19:20

Ja und genau hier ist doch das Detail worauf es in dieser Diskussion drauf an kommt. Andere Pflanzen haben auch EFN. Kakteen sind aber anders und haben sich auf den Umgang mit extremen trocken oder feuchten Bedingungen spezialisiert. Bei wenig Wasser eintrocknen mit einer Oberfläche zusammen ziehbar wie eine Ziehharmonika oder vollsaugen wie ein Schwamm, aufblasbar wie ein Ballon. Doch irgendwo sind Grenzen und werden diese überschritten folgt der Tod oder zumindest Entstellung. Da bieten genau diese EFN die Lösung. Ist zuviel Wasser im Körper kann diese ausgeschieden werden. Sei es weil zuviel Wasser im Körper ist oder das Wasser gezielt abgelassen werden muss weil der Winter naht und die das Wasser ausgeschieden werden muss.
Nicht alle Kakteen haben EFN. Diese zerreisst es wenn zu viel Wasser im Körper ist oder sie können nicht gezielt  dehydrieren weil sie nicht mit so tiefen Temperaturen konfrontiert werden. Beispiele sind Lophophora, Astrophytum, Echinopsis, Notocactus, Discocactus, Melocactus. Es kommt aber auch vor das die Menge an ausgeschiedener Flüssigkeit nicht ausreicht und der Körper trotz allem zerreisst. Beispiel Selenicereus wie ich beobachten konnte.
Das Ameisen diese EFN als Nahrung oder eher als Snack nutzen ist ein Nebeneffekt. Snack und nicht Nahrung darum, weil Ameisen die Nahrung in den Bau schleppen um dem Staate zu dienen.
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Beitrag  Gast Mo 06 Nov 2017, 20:55

CO2 schrieb:Ich werde mich nachher mit einem Stenocereus eruca geißeln Wink
Der Geißelnde Teufel? Wobei in dem Fall nun aber eigentlich eine Opuntia stricta das Mittel der Wahl sein müsste - aber dies will und werde ich niemanden zumuten wollen.

CO2 schrieb:Beitrag 44 verstand ich allerdings so, dass nur die Opuntia stricta untersucht wurde. Mein Kommentar bezog sich daher auf eine empirische Untersuchung mehrerer Arten.
Verständlich, da es in dem Beitrag auch nur um die geht. Für weitere Studien müsste ich mir jetzt nochmals die Finger wund googeln... Wink

CO2 schrieb:diese Vorteile (z. B. das Ameisenanlocken) auch nur Nebeneffekte sein, wobei dann der eigentliche Grund nicht primär im augenscheinlichen Vorteil bestünde.
Mir ist das hier alles noch nicht kompliziert und verschraubt genug!   Gestört
Genau deshalb hatte ich ja gleich eingangs gefragt, wer noch weitere Theorien auf Lager hat.
Gut, wenn du willst, dann denk ich mir eben schnell mal was aus. Für kompliziert reicht es um die Uhrzeit aber nicht mehr, verschraubt geht aber immer: In Wahrheit können nämlich Kakteen rein aus Prinzip Ameisen überhaupt nicht ausstehen. Deshalb verwenden manche Kakteen einen Teil ihrer Ressourcen dazu, Nektar aus EFN zu quetschen. Möglichst weit oben am Kaktus, am besten im Scheitelbereich (siehe auch Corryocactus melanotrichus). Die gierige Ameise klettert dann hoch und eine bestimmte Kombination aus Aminosäuren bewirkt bei den Ameisen einen umgehenden Zuckerschock, welche dann sofort einen Glücksrausch bekommen und high sind. Vor lauter Übermut verlieren dann die Ameisen ihr Koordinationsvermögen der sechs Beine, welche sich dann mit den Fühler verknoten und die Ameisen stürzen in die Tiefe, während der Kaktus vor Freude mit den Dornen wedelt und die hilflos am Boden kringelnde Ameise auslacht. Die Wahrheit über EFN!
Verschraubt genug? Oder sollten noch andere Tierchen ins Spiel gebracht werden?

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Beitrag  CO2 Mo 06 Nov 2017, 21:10

Hey Matthias,

klingt schon recht verschraubt Wink

Ich meinte diesen Satz aber ironisch (ich hoffe, das war klar). Mit nämlich genau irgendwelchen Spekulationen ist ja niemandem gedient. Deswegen meine Bitte zur Vorsicht.

Dass sich Ameisen u.a. gütlich tun und Ameisen für das Gedeihen von gewissen untersuchten Arten unter den Testbedingungen förderlich sind, ist ja unzweifelhaft. Das wurde ja auch offenbar untersucht.

Trotz aller Meinungsunterschiede ein Gute-Nacht- *knutsch* an alle  Very Happy

Liebe Grüße,
Jens
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Beitrag  CO2 Di 07 Nov 2017, 06:55

Und einen Guten-Morgen- *knutsch* an alle Very Happy

(falls die im weiteren angeführten Beiträge zu EFN in diesem Thread schon genannt wurden, bitte ignorieren!)

Schon in der "Kakteen und andere Sukkulente" von 1980(3) gibt es auf S. 18 die Zusammenfassung einer Studie von 1979 von Pickett und Clark im American J. Botany an O. acanthocarpa, in der herauskam, dass diese O. durch EFN die Ameisenart Crematogaster opuntiae anlockt und füttert, so dass "die angriffslustige Ameise damit für die Pflanze eine Abwehrfunktion übernimmt". Die Zusammenfassung lässt erkennen, dass diese Studie möglicherweise die erste zu EFN bei Kakteen war.

Es scheint tatsächlich recht viel wissenschaftliche Literatur zu dem Thema EFN bzw. extranuptiale Nektarien (den Begriff kann ich vorher auch noch nicht  Wink ) bei Nicht-Kakteen zu geben, auf deren Großteil ich über die Uni sicherlich auch Zugriff hätte (leider sind ja viele Aufsätze zugriffsbeschränkt!). Da ich kein Biologe bin, würde mich die Recherche und Lektüre allerdings wohl ca. einen halben Tag kosten. Das mache ich vllt. aber mal in den nächsten Tagen, denn das, was man so im Internet findet, sind ja meist eher Zufallstreffer.

Ein solcher Zufallstreffer ist eine kürzliche Diss. zu Pappeln (2013), in deren Ergebnis es heißt, dass EFNs eine Herbivoren-Abwehrstrategie darstellen, die teilweise aber erst bei akutem Befall angewendet wird. Details in:
https://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/opus4-wuerzburg/frontdoor/deliver/index/docId/7333/file/Dissertation_Mario_Jaborsky.pdf

Noch einmal zu meinen in vorigen Beiträgen geäußerten "Bedenken":

Aus den bisher gemachten Untersuchungen ist der Zusammenhang zwischen EFN, dem Anlocken von Ameisen und deren Nutzen für den Kaktus wohl unzweifelhaft. Diesen festgestellten Zusammenhang kann man sicherlich auch auf (die meisten) andere(n) Standorte von Kakteen übertragen. Vielleicht finden sich bei weiteren empirischen Untersuchungen an anderen Standorten mit anderen Arten aber auch noch weitere Zusammenhänge z.B. mit anderen Insekten bzw. noch andere chemische Zusammensetzungen des "Nektars" usw., denn soweit ich das bisher überblicken kann, wurden ja nur ein paar Kakteenarten untersucht. Deswegen ist das Thema für mich mit der Antwort "Ameisen" noch nicht abgehakt.
Denn zu EFN und Kakteen heißt es in Issues and Environmental Research and Application: 2011 Edition auf S. 32 aus einer Studie von J. N. Holland von 2010 zitierend: "Despite natural history observations suggesting its widespread occurence within the Cactaceae, few studies have quantified EFN production by cacti". In dieser Studie an Pachycereus schottii, veröffentlich im Journal of Arid Environments (2010, 74(6), 712-14), kam heraus, dass EFNs eher nachts produzieren und offenbar Ameisen die Hauptabnehmer waren. Es heißt auch: "These results suggest the need for further studies". Daher denke ich, dass da sicherlich noch etwas zu holen ist.
So tauchen z.B. in der Bibliographie der weiter oben schon in diesem Thread verlinkten Studie von Weber/Keeler in Annals of Botany (2013), soweit ich das sehen konnte, die Begriffe "Cactaceae" und "cacti" nicht auf, wohl aber "Euphorbiaceae". Im Diagramm auf S. 1257 tauchen die "Cactaceae aber auf, d.h. ein wenig Literatur muss es ja immerhin geben.

Hier noch eine Übersicht zu einem Mini-Mini-Projekt von Studenten an Kakteen:
http://www.geo.uni-potsdam.de/tl_files/studium/geoecology/bsc/GEOIII/2014/2014_rohwaeder_mueller_geooek_web.pdf

Man beachte, dass hier (2013 !!!) wieder die Studie von Pickett und Clark von 1979 als eine von zwei Literaturangaben aufgeführt wird, was mir auf den Mangel an kakteenspezifischen Studien hinzuweisen scheint.

Was ich im EFN-Zusammenhang mit "teleologisch" meinte, war dies:

Der oben genannte Vorteil, muss nicht die Ursache bzw. der Zweck des Vorhandenseins eines EFN sein. Er kann es, muss es aber nicht. Denn entwicklungsgeschichtlich handelt es sich bei EFNs höchstwahrscheinlich um konvergente Erscheinungen (wie aus dem Diagramm in Weber & Keeler, S. 1257 schnell ersichtlich wird)!

Dazu ein Beispiel:

Mittlerweile ist es ja recht etabliert, dass sich die Vögel aus gewissen Dinosauriern heraus entwickelten, die Federn ausgebildet hatten. Diese gefiederten Dinosaurier bildeten aber nicht deswegen Federn aus, damit sie später einmal fliegen könnten, sondern das Fliegen war ein Vorteil, der nicht die Ursache und der ursprüngliche Zweck der Federn war (sondern wohl vielmehr die Isolierung).

Noch ein weiteres, etwas plakatives Beispiel (auf das ihr mich bitte nicht festnagelt):

Der Mensch hat zur Verbreitung der Katze sehr viel beigetragen, weil erstens die Katze Mäuse fängt und sie für uns zweitens süß aussieht bzw. ihr Charakter fasziniert. Diese beiden Vorteile, die die Gründe für unser Interesse an und unsere Verbreitung der Katze darstellen, sind aber nicht ausgebildet worden, damit wir das machen, sondern dieser Vorteil hat andere Ursachen und Zwecke gehabt.

Das heißt: die Ursache und der Zweck der EFN bei Kakteen mag ursprünglich z. B. tatsächlich, wie Cristatathunter schrieb, ein "Überdruckventil" gewesen sein (das glaube ich persönlich zwar nicht, aber genau für die Klärung solcher Fragen gibt es ja wissenschaftliche Untersuchungen) oder aus irgendeinem anderen Grund vorhanden gewesen sein, dieses Phänomen hat dann aber zumindest einen sekundären Vorteil gebracht, wie man ja festgestellt hat, nämlich Ameisen anzulocken, die dann Schädlinge fressen.

Diese Unterscheidung scheint mir persönlich wichtig zu sein, weil es erstens bedeutet, hier nicht bei den Ameisen aufzuhören, sondern nach weiteren Zusammenhängen zu schauen und zweitens weil es bedeutet, dass hier unterschiedliche Meinungen zugleich richtig sein können, weil sie z.B. einerseits den Vorteil, andererseits die Ursache widerspiegeln.

Ich kann aber verstehen, dass das manchem sehr spitzfindig erscheint, weswegen ich (ironisch!) schrieb, es sei mir noch nicht kompliziert und verschraubt genug.

Viele Grüße,
Jens
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Beitrag  Cristatahunter Di 07 Nov 2017, 09:29

Hallöchen zusammen,
Ich möchte mich erst mal bei Co2 für seine Objektivität bedanken.
Mich erstaunt das es zum einen Thema, wissenschaftliche Arbeiten gibt, aber zum anderen Thema demnach nicht.  
Vielleicht weil die Ameisentheorie vielmehr Emotionen wecken vermag. Sind ja so drollig die Kleinen.
Die Vergangenheit hat gezeigt dass, wenn eine Wissenschaftliche Studie etwas beweisen möchte, kann sie das auch. So lange keine Gegenstudie angestrengt wird. Beispiel es hat 80 Jahre gedauert bis bewiesen wurde das Tabakkonsum gesundheitsschädlich ist. Nur weil die Zigarettenindustrie das Gegenteil beweisen versuchte.
Kontergan wurde als unproblematisch eingestuft da es keine kritische Gegenstudie gegeben hatte. Sogar als die ersten Schadenfälle bekannt wurden, hatten die Hersteller einen Zusammenhang ausgeschlossen. Es brauchte 30 Jahre bis der Hersteller Schadenersatz zahlen musste.
Egal, zurück zum Thema. Meine Kakteen halte ich unter einem Folientunnel 115qm das von allen Seiten frei zugänglich ist. Am Boden herrschen waldähnliche  Zustände denn ich habe den gesamten Boden mit natürlichem Holzschnitzel bedeckt. Ideale Bedingungen für die Ameisen die auch zu Hauf in dem Tunnel umher spazieren.
Ich pflege viele Gattungen mit EFN Thelocacteen, Coryphanthas, Ferocacteen, Opuntias, Tephrocacteen usw. auch ein Corryocactus erectus ist dabei.
Ich giesse nicht mehr als unbedingt notwendig. Nur wenige EFN träger haben Tropfen an den EFN. Diese werden aber nicht wirklich stark von den Ameisen frequentiert. An meinem Tag der Offenen Tür kam viel Publikum und haben im Folientunnel gegessen. Klar ist da ab und zu etwas essbares zu Boden gegangen und einen Abfallkübel habe ich auch aufgestellt. Die Ameisen waren um vieles mehr an den Essensresten interessiert als an den EFN.
Ich konnte aber feststellen das die Kakteen wenn sie gut im Saft waren „Nektar" ausgestossen haben. Es hatte zwar Ameisen die sich daran interessierten, aber nicht so viel wie wenn Lebensmittelresten herumgelegen haben. Da ich meine Kakteen bestäube habe ich viele Früchte an meinen Kakteen. Es gibt fleischige Früchte und trockene Früchte. Ein Beispiel: Thelocacteen haben EFN die teilweise viel „Nektar" produzieren. Die Früchte sind aber im Unreifen zustand zu hart für die Ameisen und im reifen Zustand öffnet sich die Frucht an der Basis und der trockene Samen rieselt aus der Frucht ohne ein kleines bisschen Fruchtfleisch für die Ameisen anzubieten. Wenn ich nicht rechtzeitig die Samen absauge rieseln diese einfach zu Boden. Ein anderer EFN Träger ist Ferocactus. Auch hier kommt es zur Befruchtung. Die Ameisen besuchen zwar die EFN aber die Früchte lassen sie links liegen. Die Früchte sind ähnlich wie bei Thelocactus aufgebaut. Dicke lederige Schale mit einem Hohlraum in dem die trockenen Samen ohne Fruchtfleisch liegen. Noch ein andere Gattung EFN Träger ist Coryphantha Hier trocknen die Früchte weinbeerenartig ein und rieseln dann Trocken aus der Schale sobald ich diese abzupfe. Diese Früchte werden von den Ameisen ignoriert.
Dann gibt es andere Gattungen deren Früchte fleischig sind und sogar süss duften. Beispiel: Lobivien, Echinopsen, Hildewintera, Trichocereen. Diese haben eher selten EFN aber Früchte die attraktiv für Ameisen wären. Diese Früchte werden selten bis gar nicht von den Ameisen besucht.
 Am liebsten haben Ameisen die Früchte gewisser Echinocereen der Gruppe der pectinaten. Allen voran E. rigidissimus wenn ich da nicht sofort zu Stelle bin und die Samen ernte, holen sich die Ameisen alles. Echinocereus rigidissimus hat aber keine EFN. Es muss also am Duft der Früchte liegen. 
Ein anderer Blickwinkel ist der Schutz vor Parasiten. Läuse, Spinnmilben, Thripse. Keines dieser Schädlinge wird von den Ameisen gejagt. Läuse werden von den Ameisen gehätschelt und gemolken, Spinnmilben und Thripse werden von den Ameisen ignoriert. OK ist ja alles nicht realistisch da die Pflanzen nicht am natürlichen Standort stehen. Dazu später mehr.
Cristatahunter
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Beitrag  CO2 Di 07 Nov 2017, 10:28

Cristatahunter schrieb:Ich möchte mich erst mal bei Co2 für seine Objektivität bedanken.

Vielen Dank! Ich bemühe mich ;-) Da ich selbst schon Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht habe und mit anderen in Diskussions-Austausch stehe, nehme ich Angriffe auf meine Meinung, Vermutung, Ansicht usw. nicht (mehr) persönlich und versuche, die jeweiligen Gegen-Argumente korrekt nachzuvollziehen. Meistens ist die Realität eines beobachteten Phänomens sowieso weit komplizierter als man das zuerst meint.

Übrigens: dass wissenschaftliche Forschung einseitig ist und ihre Schwerpunkte hat, ist ganz leicht zu erklären: Vom Prinzip her bzw. definitorisch gesehen zielt Wissenschaft auf die Schaffung intersubjektiv nachvollziehbaren Wissens ab bei unvoreingenommener Herangehensweise. Da Wissenschaft aber auch als Totschlagargument genutzt wird (à la "Wissenschaftler haben den Klimawandel bewiesen, also kauft jetzt alle die neuen, teureren, aber klimaschonenden Glühbirnen!") und Forschung immer von Geld (und natürlich auch von gesellschaftlichen Trends) abhängig ist, kann die reale Wissenschaft von der idealen doch deutlich abweichen.

(Noch dazu: Wissenschaft kann immer nur Ist-Aussagen treffen, d.h bestenfalls feststellen, was ist und die Zusammenhänge aufzeigen, niemals aber Soll-Aussagen treffen! Wenn Wissenschaftler also irgendwo sagen, was jetzt z. B. politisch oder so getan werden muss oder soll, dann sagen sie das nicht als Wissenschaftler (auch wenn sie das selber behaupten!), sondern als Menschen mit einer Meinung. Ganz wichtig! Ein Wissenschaftler könnte nur sagen, was nach seiner Expertise, weil er den gegebenen Zusammenhang untersucht hat, zu tun ist, insofern aus nicht-wissenschaftlicher Perspektive das Soll-Ziel vorher festgelegt wurde. Beispiel: nicht-wissenschaftliches Soll-Ziel sei Reduktion von CO2 (Oh Gott, das bin ich ;-) ) zur Beeinflussung des Klimawandels; wissenschaftliche Aussage kann dann sein: da nach unserer Kenntnis (die falsch sein kann) der CO2-Gehalt der Atmosphäre mit xy zusammen hängt, führt wahrscheinlich p zu einer Reduktion von CO2).

Zu Deinen Beobachtungen im Folientunnel:

Ich denke, dass Deine Beobachtungen den bisherigen Veröffentlichungen nicht widersprechen müssen.
Dazu fallen mir spontan zwei Möglichkeiten ein (und es gibt sicherlich noch mehr):

1. Das EFN von Kakteen ist für die Ameisenarten an den Kakteenstandorten wegen irgendeines chemischen Inhaltsstoffes sehr interessant, während unsere heimischen Ameisenarten auf diesen Inhaltsstoff nicht so abfahren oder gar nicht reagieren.

2. Da "unter einer gewissen Bedingung tauglich" noch nicht "gut" heißt (siehe einen meiner Beiträge oben), könnte es auch sein, dass sowohl quantitativ als auch qualitativ das EFN der Kakteen hier bei uns nicht mit sonstigen Nahrungs-Angeboten an Ameisen konkurrieren kann. Immerhin gibt es an den Originalstandorten sehr viel weniger Wasser (und EFN besteht zum Großteil daraus) und weniger Nahrung (und wegen weniger Biomasse im Schnitt wohl weniger verwertbaren Zucker und Gewebe). Hier gibt es an beidem vergleichsweise eine Überfülle, so dass das Kakteen-EFN vllt. deswegen nur so im Vorbeigehen mitgenommen wird.

EFN und Ameisenbesuch muss zudem nicht zwangsläufig mit dem Samentransport durch Ameisen zusammenhängen. Ameisen könnten z. B. einerseits als Herbivoren-Vertilger (vllt. jedenfalls am Originalstandort) angelockt werden, andererseits Samenverteiler sein, oder manchmal auch beides zusammen. Wie gesagt, vllt. spielen noch andere Insekten oder was weiß ich mit herein. Deswegen wären m. E. empirische Untersuchungen an den Originalstandorten der jeweiligen Kakteenarten wichtig.

Ich denke aber, dass es durchaus ein erster und brauchbarer Schritt ist, wenn wir solche Fälle und Zusammenhänge dokumentieren: interessieren sich die Ameisen hier für EFN, wenn ja, viel oder wenig, interessieren sie sich dann auch für die Früchte oder nicht, wird EFN eher im Sommer oder im Winter, eher nachts oder eher tags produziert etc., und das dann für verschiedene Arten aufgeschlüsselt. Das könnte unser (nicht-wissenschaftlicher, aber dennoch wichtiger) Beitrag zu EFN hier unter Kultur-Bedingungen sein.

Erstmal so tentativ dazu.

Viele Grüße,
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