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Geschichtliche Frage: Pflanzen von der Südhalbkugel bei uns eingewöhnen?

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Geschichtliche Frage: Pflanzen von der Südhalbkugel bei uns eingewöhnen? Empty Geschichtliche Frage: Pflanzen von der Südhalbkugel bei uns eingewöhnen?

Beitrag  Tarias Do 02 Jan 2014, 21:39

Ich habe mal eine geschichtliche Frage zum Thema Kakteenimporte: Viele Kakteen (u.a. auch die Blattkakteen) stammen ja von südlich des Äquators.
Nun habe ich im Zusammenhang mit Kartoffeln oder auch mit Schlumbergera-Züchtungen aus Brasilien die Information gelesen, dass die Eingewöhung dieser Pflanzen auf der Nordhalbkugel recht schwierig war/ist, weil bei uns einfach komplett verdrehte Jahreszeiten herrschen. Kartoffeln waren zu Beginn ihrer "Europakarriere" anscheinend schlicht nicht bereit, ihre innere Uhr auf europäische Verhältnisse umzustellen. Es hat wohl einige Kartoffelgenerationen gedauert, bis der Jetlag endlich überwunden war.
Das selbe Problem soll es angeblich auch z.B. im Bezug auf Schlumbergera-Hybriden aus Brasilien geben, die man angeblich nicht bei uns kultivieren kann.

Nun finde ich diese Info hochspannend, und würde gern mehr darüber herausfinden, wie in der Vergangenheit Pflanzen, insbesondere Kakteen aus dem Süden bei uns im Norden eingewöhnt wurden.
Über Aussaaten wird es wahrscheinlich recht einfach gehen, aber es wurden in der Vergangenheit ja auch viele lebende Pflanzen/Stecklinge importiert.
Sind dann einfach viele eingegangen, und nur die anpassungsfähigsten fanden sich mit den plötzlich verdrehten Jahreszeiten zurecht?
Oder gibt es das Phänomen nur bei speziellen Pflanzen?
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Geschichtliche Frage: Pflanzen von der Südhalbkugel bei uns eingewöhnen? Empty Re: Geschichtliche Frage: Pflanzen von der Südhalbkugel bei uns eingewöhnen?

Beitrag  Barbara Do 02 Jan 2014, 22:06

Hallo Bianca,
man hast du Fragen. Es würde mich auch interessieren, aber ich weiß es nicht  Embarassed 
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Geschichtliche Frage: Pflanzen von der Südhalbkugel bei uns eingewöhnen? Empty Re: Geschichtliche Frage: Pflanzen von der Südhalbkugel bei uns eingewöhnen?

Beitrag  Gast Fr 03 Jan 2014, 01:40

Hinzu kam bei Kartoffeln aber noch erschwerend, daß die Leute erstmal die meinten, die Beeren seien eßbar! Und nachdem es zu extremen Vergiftungsfällen kam, wurde die Kartoffel "ad acta" gelegt ... durch gezielte Zucht einiger ambitionierter Gärtner wurde allerdings der Ertrag der Knollen gesteigert - insofern brauchte es züchterische Ambitionen, um aus der ertragsarmen Wildkartoffel eine ertragreiche Zuchtkartoffel zu machen ... dasselbe Phänomen haben wir aber auch bei Getreide (Einkorn -> wurde zu Saatweizen herangezüchtet, Wildmais -> Futtermais, Zuckermais) ... und auch bei Tomaten (Wildtomaten tragen zwar viele Früchte, aber sie sind i.d.R. sehr klein, eher was zum Naschen, als denn wirklich für einen Tomaten-Mozzarella-Salat geeignet  Wink )

Es gibt im übrigen noch viel mehr Pflanzen, die in unseren Wohnzimmern schlicht nicht zu kultivieren sind ... Medinilla magnifica gehört z.B. dazu ... oder auch die hübschen Fittonien ...

Und als vor 300 Jahren diese "Sammlungen exotischer Pflanzen (und Tiere)" aufkamen, war das sowieso nur ein Hobby des Adels! Nur sie konnten sich diese riesigen Gewächshäuser, die den Grundstein so mancher heute noch existierender Botanischen Gärten bilden, überhaupt leisten! Für die Normalbevölkerung waren Pflanzen nicht vorgesehen (sie hatten auch weder Geld noch Zeit sich um Grünzeug zu kümmern) ...

Pflanzen als Wohnaccessoires kam dann erst vermehrt im Biedermeier in die Wohnzimmer des Bürgertums! Wobei ich auch sagen muß, in der Antike hatten die Menschen eher ein Faible dafür, sich das Grün auch in ihre Häuser zu holen! Allerdings wäre wohl so ein Orangenbäumchen in einer Burg des frühen Mittelalters schlicht eingegangen - dabei kannte man Zitrusfrüchte schon seit dem Altertum ...

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Beitrag  Ralla Fr 03 Jan 2014, 09:02

Wenn die Kakteen in Europa als Samen ankommen und dann jahreszeitgerecht ausgesät werden, sollte es wenig Schwierigkeiten geben. Von brasilianischen Orchideen weiss ich aus Erfahrung, dass die gerne mal durcheinander kommen, wenn sie frisch importiert sind. Das dauert ein paar Jahre, bis sie sich an Europa angepasst haben. Lithops scheint gerne mal einen eingebauten Jahreszeitenkalender zu haben und blüht oft so, wie sie es in Afrika auch machen würden, egal, wie lange sie hier sind.
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Geschichtliche Frage: Pflanzen von der Südhalbkugel bei uns eingewöhnen? Empty Re: Geschichtliche Frage: Pflanzen von der Südhalbkugel bei uns eingewöhnen?

Beitrag  Tarias Fr 03 Jan 2014, 13:30

Über Aussaten wird man die innere Uhr der Pflanzen wohl "überlisten" können.
Aber wie geht dass dann bei Pflanzen?
Schlumbergera heißt in Brasilien ja "Maiblume", weil sie dort im Mai blühen, also im brasilianischen Herbst.
Irgendwie muss es ja mal gelungen sein, Pflanzen dazu zu bringen, ihre innere Uhr zu ignorieren, und sich unseren Jahreszeiten anzupassen.
Oder stammen unsere Ursprungs-Schlumbs und sonstige Süd-Äquatorianer aus Samen?

Orchideen (tropische) werden sich wohl anpassen, weil sie ja am Originalstandort keine Ruhephase haben?
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Beitrag  plantsman Fr 03 Jan 2014, 14:25

Moinsen und frohes neues,

die innere Uhr der Pflanzen kann man nicht umstellen. Winterwachser werden immer dann anfangen zu wachsen, wenn die Temperaturen runtergehen und die Tage kürzer werden. Auch werden die Blütezeiten durch innere Faktoren wie Tageslänge, Temperatur und Feuchtigkeit geregelt. Deshalb wächst Schlumbergera im Sommer und blüht nach den kurzen Tagen im Herbst/Winter. Nur heissen die Monate auf der Nordhalbkugel dann im Wachstum Mai oder Juni und nicht November Dezember und für die Blüte November und Dezember und nicht....... na, ihr wisst schon.

Es sollte möglich sein, Pflanzen innerhalb von wenigen Jahren auf den Rhythmus der Nordhalbkugel einzustellen. Man muss sich nur Notizen machen, wann man in den einzelnen Jahren mit dem Wachstum beginnen will. Pflanzen, die eine robuste Konsistenz haben und auch mal ein halbes Jahr fast aussetzen können, sollte man sogar schneller umgewöhnen können. Kakteen und Zwiebel/Knollenpflanzen eignen sich sicher besser für so ein Experiment. Zartere Kakteen wie z.B. Rhipsalis sollte man das "fehlende" halbe Jahr einfach leicht durchkultivieren und sie dann mit verstärkten Wassergaben an unseren Jahreszeitenverlauf anpassen.
Saat ist natürlich die bessere Möglichkeit, bei diesen kann man, bei richtiger Lagerung (kühl und lufttrocken) einfach das halbe Jahr warten und dann mit Beginn der von Dir gewünschten Wuchsperiode beginnen.
Aber wie gesagt, eine im chilenischen oder namibischen Winter wachsende Pflanze wird auch bei uns im Winter wachsen wollen. Für sie verschiebt sich der Rhythmus genauso um 6 Monate. Man wird sie nicht auf Sommerwachstum umstellen können. Für einige südafrikanische Knollen wird es zwar in holländischen Klimakammern gemacht (Babiana, Ixia, Leucocoryne), nach aber genau einem halben Jahr ohne diese künstliche Stimulanz gehen diese Arten wieder in ihren winterlichen Wuchs über. Sie treiben im April/Mai aus, blühen relativ schnell wegen der hohen Sommertemperaturen, ziehen dann auch schnell im Spätsommer wieder ein um sofort im Oktober/November wieder auszutreiben. Vorher hat man ihnen in der Klimakammer im hiesigen Winter ihren heimatlichen Sommer vorgegauckelt (warm und trocken) um sie dann durch Abkühlung in Treiblaune zu versetzen. So leicht lassen sich aber zig-tausend Jahre Evolution nicht hinters Licht führen und sogar ausschalten.

Es gibt sogar sehr viele Orchideen die teilweise eine sehr strenge Ruhezeit durchmachen. Viele wachsen ja sogar mit Kakteen zusammen (in Brasilien wachsen Cattleya, Bifrenaria, Acianthera und Co. mit Discocactus, Austrocephalocereus und Melocactus zusammen auf den Quarzfeldern, in Mexiko sind es Brassavola, Barkeria und Trichocentrum). Ausserdem gibt es noch geophytische Orchideen, die wie andere Knollenpflanzen für ein halbes Jahr unterirdisch auf die neue Regenzeit warten.

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Geschichtliche Frage: Pflanzen von der Südhalbkugel bei uns eingewöhnen? Empty Re: Geschichtliche Frage: Pflanzen von der Südhalbkugel bei uns eingewöhnen?

Beitrag  KarMa Fr 03 Jan 2014, 16:19

Toller Beitrag, Stefan, der war sehr interessant für mich (auf Orchideen bezogen). Einfach klasse!  danke
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Geschichtliche Frage: Pflanzen von der Südhalbkugel bei uns eingewöhnen? Empty Re: Geschichtliche Frage: Pflanzen von der Südhalbkugel bei uns eingewöhnen?

Beitrag  Tarias Sa 04 Jan 2014, 21:41

Hallo Stefan,
danke für die Erläuterung!
Das hieße also, dass winterblühende Pflanzen sich nach Kräften bemühen werden, auch auf der Nordhalbkugel im dortigen Winter zu blühen.
Wenn ich deinen Beitrag richtig verstehe, dann müsste man versuchen, die Ruheperiode einer Pflanze künstlich zu verlängern, oder aber die Wachstumsphase vorsichtig weiter zu führen.

Dass man einen Sommerblüher nicht zum Winterblüher umpolen kann ist klar. Da müsste man ja die gesamte genetische Konditionierung der Pflanze ausschalten.
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Geschichtliche Frage: Pflanzen von der Südhalbkugel bei uns eingewöhnen? Empty Re: Geschichtliche Frage: Pflanzen von der Südhalbkugel bei uns eingewöhnen?

Beitrag  plantsman So 05 Jan 2014, 14:48

Moin,

ja, Du hast mich richtig verstanden. Es geht um vorsichtige Veränderung der Lebensrhythmen der Pflanzen.

Bei den Blütezeiten kann man sich aber die genetische Ausstattung der Pflanzen gärtnerisch zu Nutze machen. "Echte" Lang- oder Kurztagpflanzen kannst Du, wenn Du ihnen ihre speziellen Tageslängen für die Blüteninduktion mit Belichtung oder Schattierung vorgauckelst, jederzeit zum Blühen bringen. Das bekannteste Beispiel ist der Weihnachtsstern, der in den USA ganzjährig angeboten wird. Er heißt dort auch Poinsettia und nicht Weihnachtsstern. Der Aufwand eine Kurztagpflanze zu schattieren ist aber eindeutig nicht so groß wie einer Langtagpflanze im Winter mit sehr energieaufwändigem Assimilationslicht die Tage länger zu machen. Deshalb gibt es z.B. keine Sommerastern (Callistephus) als Schnittblumen im Winter. Das wäre kommerziell und energietechnisch ziemlicher Unfug.

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